Giftige Verwechslung

Ein Hobbychemiker und sein Komplize werden bei der Herstellung von Zyankali von zwei Polizisten überrascht, die das tödliche Pulver irrtümlich für Kokain halten.

Als das Endprodukt, ein weißes, kristallines Salz zum Vorschein kam, zog Urs die unbequeme Maske ab und wies mich an, es in einem Mörser zu zerkleinern. Vorher musste ich Latexhandschuhe und Mundschutz anlegen, denn der feine Zyankalistaub könnte, über Haut und Atemwege aufgenommen, zu schwersten Gesundheitsschäden führen. Ich zerrieb das grobkörnige Salz zu einem feinen Pulver, das mein Körper schneller aufnehmen würde, und schüttete es vorsichtig auf eine Milchglasplatte in der Größe eines Brotzeitbrettls. Plötzlich pochte es heftig an die Tür:
„Aufmachen, Polizei! Wenn Sie nicht sofort öffnen, trete ich die Tür ein!“
„Kommen Sie einfach herein. Es ist nicht abgeschlossen“, antwortete Urs gelassen, während er zu mir schaute und mit den Augen rollte.
Ein beleibter Mittfünfziger mit kantigem Gesicht und nach hinten gekämmtem dunklem Haar, das sich im Nacken kräuselte, polterte in die Hütte, im Schlepptau einen gut zehn Jahre jüngeren, schlanken Kollegen mit verwegenem Schnauzer. Beide trugen Anzug und Krawatte.
„Mein Name ist Hutterli von der Kantonspolizei Zürich“, stellte sich der ältere der beiden vor, hielt mir seinen Dienstausweis unter die Nase und hob sein breites Kinn in Richtung seines Begleiters, „und das ist mein Kollege Orelli. Wir haben einen Tipp bekommen und wollen uns hier mal umsehen.“
Dann ging alles sehr schnell, zu schnell, viel zu schnell.
Der Dicke sah das weiße Pulver auf der Milchglasplatte, leckte seinen rechten Zeigefinger an, tauchte ihn in das Pulver und leckte ihn ab.
„Nein!“, rief Urs entsetzt. „Tun Sie das nicht!“
Der Dicke strafte ihn nur mit einem verächtlichen Grinsen, leckte nochmal kräftig seinen rechten Zeigefinger an, nahm eine weitere Probe und sagte zu seinem Kompagnon:
„Also, ich weiß nicht, so richtig nach Koks schmeckt das Zeug nicht. Probier du doch mal, Felix!“
Felix Orelli ließ sich nicht lange bitten, probierte aber, genau wie sein Chef, zweimal, weil der den Geschmack des Pulvers nicht so recht einordnen konnte.
„Was ist das?“, fragte Hutterli.
Urs‘ Gesichtsfarbe wechselte von Fahlgrau zu Schneeweiß, als er mit einem kaum hörbaren Zittern in der Stimme antwortete:
„Setzen Sie sich, meine Herren, und trinken Sie erst mal ein Glas Wasser, bevor ich Ihnen antworte.“

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