Das Internet vergisst nie

Ein Mann kauft sich in skurril-verhandelter Detailabsprache einen Sarg und versucht den Bestatter zu einer heimlichen Sonderregelung zu überreden, um im Falle eines Scheintods nicht lebendig begraben zu werden.

Der Koloss führte mich wortlos in einen großen Nebenraum und fragte:
„Eiche, Fichte oder Mahagoni?“
„Kirschbaum“, antwortete ich.
„Kirschbaum hat sechs Wochen Lieferzeit.“
„Okay, dann Eiche, eher dunkel.“
„Truhenform oder Körperform?“
„Körperform, unbedingt Körperform!“
Der Mann deutete auf einen wunderschönen Sarg aus dunkler Eiche, in den ich mich sofort verliebte, um es mal mit Julias Worten beim Kauf unserer Designerküche auszudrücken.
„Das hier ist der letzte Sarg in Körperform“, sagte der Mann.
Ich zückte mein Smartphone, tippte auf die Cyberwallet-App und erklärte, dass ich ihm 50 Crypteuro in seine Wallet transferieren würde, wenn er mich zehn Minuten ungestört probeliegen lasse.
Der Mann scannte den QR-Code auf meinem Display, nickte und öffnete dann den Sarg. Ich legte mich hinein und bat ihn, den Deckel zu schließen. Der Sarg gefiel mir, er war geräumig, passte wie angegossen. Aber so richtig bequem war er nicht.
„Den kaufe ich sofort“, sagte ich, nachdem ich wieder herausgeklettert war, „aber bitte mit einer zweiten Matratze, einem zweiten Kopfkissen, einem ausgefrästen Rundloch mit drei Zentimetern Durchmesser im oberen Drittel des Sargdeckels und einem zweieinhalb Meter langen Plastikschlauch.“
„Plastik ist laut Friedhofsverordnung verboten. Es dürfen mit Ausnahme der Sargbeschläge nur rückstandslos verrottende Teile ins Grab.“
Ich stellte mir gerade das Horrorszenario vor, dass die Zyankalipille, die ich mit Hobbychemiker Urs hergestellt hatte, doch nicht so richtig wirkte, mich nur in eine Art Scheintod versetzte und ich dann zwei Meter unter der Erde qualvoll ersticken musste.
„Sind Sie der Chef?“, fragte ich den Koloss.
„Ja“, sagte er mit seiner Fistelstimme.
Obwohl ich außer uns beiden in den Räumlichkeiten noch keine Menschenseele gesehen hatte, sah ich mich sicherheitshalber nach rechts, links und hinten um. Dann flüsterte ich dem Dicken verschwörerisch ins Ohr:
„Können wir eine Vereinbarung treffen?“
„Kommt auf die Vereinbarung an.“
„Sie beerdigen mich ausnahmsweise mit diesem verbotenen Plastikschlauch, ziehen ihn einfach nach zehn Tagen heraus und lassen ihn verschwinden. Nach diesem Zeitraum wäre ich ohnehin verdurstet oder verhungert. Sollte ich wider Erwarten doch nicht ganz tot gewesen und mich lautstark ins Leben zurückgemeldet haben, dann erhalten Sie zehntausend Crypteuro Prämie, wenn Sie mich herausholen!

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